DO, 28.03.2024

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Abrechnung - Was Zahnärzte und Patienten wollen

zurück | Artikel vom: 03.08.2007

VON: SONJA RIEHM

Erschienen in: ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis 03/2006

 

Kaum ein Zahnarzt beginnt die Behandlung eines Patienten mit einer Stoppuhr in der Hand. Vielmehr arbeitet er nach bestem fachlichen Können und seinen ökonomischen Vorstellungen. Ausbildungsbedingt sind betriebswirtschaftliche Kenntnisse bei Zahnärzten häufig nur rudimentär vorhanden. Als Ergebnis werden nicht selten die Früchte harter Arbeit am Behandlungsstuhl geschmälert oder gar vernichtet.

Daher sollte vor der eigentlichen Behandlung überlegt werden, wie die erbrachten Leistungen anhand des Bewertungsmaßstabs zahnärztlicher Leistungen (BEMA) und der Gebührenverordnung für Zahnärzte (GOZ) erfolgreich umgesetzt werden können. Eine wesentliche Hilfsgröße bei dieser Betrachtung sind die Kosten, mit der jede Stunde am Behandlungsstuhl belegt ist. Die so genannte Stundensatzkalkulation ist die Grundlage für eine effiziente Abrechnung.

Zu unterscheiden ist dabei zwischen dem Kostenstundensatz und dem Leistungsstundensatz. Während der Kostenstundensatz die entstehenden Kosten pro Arbeitsstunde ermittelt, bezieht sich der Leistungsstundensatz auf den erzielten Umsatz pro Arbeitsstunde. Die Differenz dieser Zahlen gibt Auskunft darüber, welcher Betrag für zukünftige Praxisinvestitionen zurückgelegt werden kann. Ein negatives Ergebnis hingegen zeigt an, dass die Praxis keinen Gewinn erwirtschaftet. Es gilt also die Grundformel: Je höher der Leistungsstundensatz im Vergleich zum Kostenstundensatz, desto besser die Wirtschaftlichkeit der Praxis.

Der Wunsch der Zahnärzte Zur Ermittlung der individuellen Stundensätze müssen zunächst sämtliche Kosten zusammengestellt werden. Dies gelingt am einfachsten durch einen Blick auf die jährliche Einnahme-Überschuss-Rechnung, welche Teil der Einkommenssteuererklärung ist. Der Anteil für das Fremdlabor bleibt unberücksichtigt, da es sich hierbei um einen durchlaufenden Posten handelt. Hinzugefügt wird ein kalkulatorischer Unternehmerlohn. Die ermittelte Kostensumme wird nun durch die Jahresbehandlungszeit dividiert. Das Ergebnis gibt den Kostenstundensatz wieder, also die Belastung jeder Zahnarztbehandlungsstunde.

Zur Ermittlung des Leistungsstundensatzes wird der Umsatz der Praxis herangezogen. Die Kosten für das Fremdlabor werden subtrahiert und anschließend durch die Jahresbehandlungsstunden dividiert. Die Differenz von Kosten- und Leistungsstundensatz ergibt den Gewinn je Behandlungsstunde.

Das für das Rechenbeispiel verwendete Zahlenmaterial basiert auf den Informationen des KZBV-Jahrbuches 2005 bezogen auf die alten Bundesländer (siehe Tab. 1). Im Beispiel gehen wir von einer Zahnarztpraxis mit einem Jahresumsatz von 377.591 Euro und 1.470 Jahresbehandlungsstunden aus.

Die Kosten für Personal, Material, Miete usw. belaufen sich hier auf 263.528 Euro.

Hinsichtlich des Unternehmerlohns wurde eine Studie über die Gehaltshöhe von Geschäftsführern mittelständischermen herangezogen. Die Berechnung von Kosten- und Leistungsstundensatz ergäbe für diese Praxis einen Gewinn pro Stunde in Höhe von 9,57 Euro. Es gilt hier unbedingt zu beachten, dass der Kostenstundensatz die Kosten und einen angemessenen Unternehmerlohn deckt. Der Kostenstundensatz jedoch berücksichtigt weder Wagnis noch Gewinn. Wagnis und Gewinn sind die Komponenten, die jeder Unternehmer zusätzlich abdecken muss, um sein Unternehmen dauerhaft betreiben zu können. Kostenstundensatz zuzüglich Wagnis und Gewinn ergibt den Leistungsstundensatz.

Weil im oben dargestellten Beispiel nur streng von den Daten auf Grund des KZBV-Jahrbuches 2005 ausgegangen wurde, ist kein ausreichender Wagnis-Zuschlag berücksichtigt. Unsere dringende Empfehlung lautet jedoch, Wagnis-Reserven auf dem Bankkonto anzusammeln, z. B. für notwendige Ersatzinvestitionen, Rückzahlungen auf Grund des jeweiligen Honorarverteilungsmaßstabes oder wegen möglicher Wirtschaftlichkeitsprüfungen.

Bei der Ermittlung dieser Stundensätze werden schnell die so genannten „Stundensatzkiller“ aufgedeckt. Diese entstehen unter anderem dadurch, dass Patienten oder Behandler zu spät kommen, die Zimmer nicht vorbereitet sind oder dass Behandlungszeiten falsch eingeschätzt wurden.

Doch nicht nur die Einführung eines gezielten Qualitätsmanagements kann zu einer wesentlichen Steigerung des Stundensatzes beitragen. Ausschlaggebend ist die Nutzung des Patientenpotenzials. Unsere Erfahrungswerte zeigen, dass ein Verhältnis von 2/3 Kassenpatienten zu 1/3 Privatpatienten (inkl. Selbstzahlerpatienten) dem Durchschnitt entspricht (siehe Tab. 2). Aus der Tabelle geht hervor, dass der Leistungsstundensatz durch Privatpatienten um ein Vielfaches höher ist als der durch Kassenpatienten. Das bedeutet, dass bei geringerer Behandlungszeit ein vergleichsweise höherer Stundensatz gemacht werden kann. Doch auch Kassenpatienten können wesentlich dazu beitragen, den Stundensatz zu erhöhen. Die Krankenkassen finanzieren zwar ein gesundes, nicht aber ein schönes Lächeln. Besonders hier, im Bereich der Ästhetik und der Prophylaxe, verbergen sich umfassende Gewinnpotenziale, die Selbstzahlerleistungen darstellen.

Der Wunsch der Patienten Gutes Aussehen und ein gepflegtes Erscheinungsbild stehen bei der Bevölkerung hoch im Kurs. Sämtliche Umfrageergebnisse belegen den Trend zu mehr Körperbewusstsein und der Bereitschaft, dieses privat zu finanzieren: Für 71% der Frauen ist ein strahlendes, charmantes Lächeln ausschlaggebend für die Wahl des Partners. Drei Viertel der Bundesbürger glauben, dass schöne Zähne ein Erfolgsfaktor sind. 2004 wurden in Deutschland über 11 Milliarden Euro allein für Kosmetik und Körperpflege und stolze 20 Milliarden Euro für zahnmedizinische Behandlungen im Bereich der Ästhetik und Prophylaxe ausgegeben.

Die Zahnmedizin hat sich diesen Trend technisch bereits zu Nutze gemacht. Ein Beispiel für diese Entwicklung ist die Einführung der (metall-)keramischen Verblendkrone, des Bleachings oder der Veneers im Frontzahnbereich. Schließlich sind mehr als die Hälfte der Deutschen nach Umfragen bereit, mehr Geld als bisher in ein schönes Lächeln zu investieren. Und dies betrifft insbesondere die Kassenpatienten, denen derartige Leistungen ausschließlich über die Eigenfinanzierung möglich sind. Es ist möglich, Funktion und Ästhetik im Mund zu erreichen und dies, ohne gleichzeitig die medizinischen Vorgaben und Vorstellungen zu vernachlässigen. Die Möglichkeit, der Natur auf die Sprünge zu helfen, bringt den Wunsch zum Teil erst hervor oder verstärkt ihn.

Zwischen Wunsch und Erfüllung steht dann nur noch das Portmonee. Der Patient von heute ist kritisch und anspruchsvoll. Er kann sich informieren und zwischen verschiedenen Praxen wählen. Eine der wichtigsten Maximen unternehmerischen Denkens und Handels für die Zahnarztpraxis ist daher die Gewinnung und Bindung von Patienten.

Die Beratung muss sich an den Wünschen und Bedürfnissen des Patienten orientieren und diesen entsprechen. Die Aufgabe des modernen Zahnarztes ist es nicht nur, eine medizinisch optimale Behandlung durchzuführen, sondern auch innerhalb eines Gesprächs die Wünsche und Bedürfnisse des Patienten in Erfahrung zu bringen und diesen zu entsprechen. Wünsche können geweckt werden. Immerhin sind 56 % der Bevölkerung mit dem Zustand der eigenen Zähne unzufrieden. Dementsprechend groß ist die Bereitschaft, in das Aussehen der Zähne zu investieren. Dieses enorme Potenzial birgt die Möglichkeit, den Leistungsstundensatz zu verbessern. Dem Patienten muss nur aufgezeigt werden, wie sein Aussehen verbessert werden kann. Dies kann durch ausgewählte Informationsmaterialien oder ein persönliches Beratungsgespräch geschehen. Ausschlaggebend ist insbesondere, dass die individuelle Situation des Patienten aufgegriffen und einfühlsam auf den richtigen Wunsch gelenkt wird.

Ein erfolgreiches Beispiel ist der Einsatz von intraoralen Bildaufnahmen. Der Blick in die eigene Mundhöhle kann das Bewusstsein für die eigenen Zähne nachhaltig verändern. Amerikanische Studien belegen, dass in Praxen, in denen eine Intraoralkamera verwendet wird, die Einnahmen aus kosmetischen und prothetischen Behandlungen um bis zu 40% steigen. Sobald der Patient die Möglichkeiten der modernen Zahnmedizin begreift, möchte er diese auch für sich nutzen.

Die Wirtschaftlichkeit der Zahnarztpraxis kann demnach grundlegend dadurch gestärkt werden, die latent vorhandenen Wünsche des Patienten zu wecken. Schließlich soll er nicht nur von einem perfekten Aussehen träumen, sondern dies auch erleben können. Mithilfe dieses Vorgehens werden im Hinblick auf einzelne Leistungen Kassenpatienten zu Privatpatienten. Das „Wünsche wecken“ umfasst sowohl für den Patienten als auch für den Zahnarzt positive Effekte. Zum einen wirkt es sich positiv auf die Ausstrahlung des Behandelten aus. Zum zweiten kann der Stundensatz des behandelnden Zahnarztes erhöht werden und sichert so die Existenz der gesamten Praxis. Wünsche in Realität zu verwandeln, ist also keine Wunschvorstellung.