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Umsatzsteuer - Zahnkosmetik mit Abfärbewirkung?

zurück | Artikel vom: 03.08.2007

VON: SONJA RIEHM, CHRISTINA SEIMETZ

Erschienen in: ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis 07/2006

Schöne Zähne sind ein Geschenk. Aber sie noch zu verschönern, ist nicht unmöglich. Gerade weil das Gesicht eines jeden Menschen ein eindeutiges Identifizierungsmerkmal ist, wächst die Bedeutung kosmetischer Zahnarztleistungen immer mehr. In den USA trägt mittlerweile fast jeder vierte Jugendliche Zahnschmuck und auch in Europa wird die Tendenz zu verschönerten Zähnen wahrnehmbarer.

Kosmetische Leistungen sind solche, die nicht als Heilbehandlungen gelten. Unter Heilbehandlungen versteht man bekanntermaßen Eingriffe und andere Behandlungen, die nach Erkenntnissen und Erfahrungen der Heilkunde und nach den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zu dem Zweck angezeigt sind und vorgenommen werden, Krankheiten, Leiden, Körperschäden, körperliche Beschwerden oder seelische Störungen zu verhüten, zu erkennen, zu heilen oder zu lindern. Im Umkehrschluss kann man daher sagen, dass zu den kosmetischen Leistungen einerseits die Verschönerung der Zahnoberflächenstruktur mittels Bleaching oder das Anbringen von Veeners gehört. Andererseits fällt in diesen Bereich das Aufbringen von Zahn-Tattoos oder von Brillanten (Twinkles). Die Grenze zwischen kosmetischen Leistungen und den eigentlichen Heilbehandlungen kann jedoch fließend sein und ist nicht starr abgrenzbar. Hierzu zählen beispielsweise kieferorthopädische Behandlungen und professionelle Zahnreinigungen. Hinsichtlich der Beurteilung der zahnärztlichen Leistung ist hier unbedingt der Einzelfall zu beachten.

Wirtschaftliche Bedeutung

Während der Patient von einem guten Aussehen und einem strahlenden Lächeln träumt, wünscht sich der Zahnarzt eine rentable Praxis und einen für seine Leistungen angemessenen Stundensatz. Was oberflächlich betrachtet nichts miteinander zu tun hat, ist bei genauem Hinsehen die Möglichkeit zur gegenseitigen Erfüllung dieser Wünsche. Auf Grund der aktuellen Krankenkassenlage sehen sich immer mehr Zahnarztpraxen dazu veranlasst, auch unternehmerisch zu denken und sich um die Rentabilität ihrer Praxis zu kümmern.

Wird das Lächeln 2007 teurer?

Auch wenn die meisten Zahnärztinnen und Zahnärzte es nicht gern hören – Sie sind Unternehmer mit allen Rechten und vor allem Pflichten, die Ihnen der Gesetzgeber auferlegt hat. Unternehmer ist gemäß § 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG), wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt. Dazu gehört auch die zahnärztliche Tätigkeit des niedergelassenen Zahnarztes. Im Hinblick auf rein ästhetische bzw. kosmetische zahnärztliche Leistungen sollte die umsatzsteuerliche Problematik unbedingt beachtet werden. Die Umsatzsteuerfreiheit im Sinne von § 4 Nr. 14 UStG gilt lediglich für die Umsätze aus der Tätigkeit als Zahnarzt, bei der die medizinische Leistung im Vordergrund steht.

In diesem Zusammenhang ist das Urteil des Finanzgerichts Berlin vom 12. November 2002 zu beachten. Denn darin wird die Umsatzsteuerpflicht für medizinisch nicht indizierte Schönheitsoperationen ausdrücklich bestätigt. Dies führt zu der Frage, ob im Bereich der Ästhetik tätige Zahnärzte mit Umsatzsteuernachzahlungen rechnen müssen. Das Urteil des Finanzgerichts Berlin beantwortet diese Frage wie folgt: Die Umsatzsteuerbefreiung des § 4 Nr. 14 UStG ist – im Einklang mit der 6. EG-Richtlinie – auf Leistungen beschränkt, die der tischen Leistungen sollten auf diese Weise gesondert erfasst werden, um die darauf lastende Umsatzsteuer von derzeit noch 16% als Vorsteuer geltend zu machen. Es sollte noch kurz der umsatzsteuerliche Kleinunternehmer erläutert werden. Als Kleinunternehmer gelten Unternehmer, deren Umsatz im vorangegangenen Jahr einen Betrag von 17.500 nicht überstiegen hat und deren Umsatz im laufenden Jahr 50.000 € voraussichtlich nicht übersteigen wird. Beide Voraussetzungen müssen gegeben sein. Bei Beginn einer unternehmerischen

„Auch wenn die meisten Zahnärztinnen und Zahnärzte es nicht gern hören –
Sie sind Unternehmer mit allen Rechten und vor allem Pflichten, die Ihnen der
Gesetzgeber auferlegt hat.“

Diagnose, der Behandlung und – soweit möglich – der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen dienen. Dagegen sind Leistungen, die keinem therapeutischen Ziel dienen, umsatzsteuerpflichtig, wie auch vom Europäischen Gerichtshof bestätigt wurde.

Umsatzsteuerpflicht

Zur steuerlichen und betriebswirtschaftlichen Beurteilung sollte eine genaue Abgrenzung der kosmetischen Leistungen von den ausschließlich medizinisch notwendigen Leistungen vorgenommen werden. Sämtliche Lieferungen von Material sowie ggf. Geräten für die Ausführung von kosme-Tätigkeit ist der voraussichtliche Umsatz im Kalenderjahr zu schätzen. Kommt die Kleinunternehmerregelung zur Anwendung, muss der Unternehmer auf seine Umsätze keine Umsatzsteuer abführen. Er kann allerdings auch zur Umsatzsteuer optieren. In diesem Fall hat er die Möglichkeit, auch die Vorsteuer gegenüber dem Finanzamt geltend zu machen. Für Kleinunternehmer entfällt neben dem Vorsteuerabzug der Ausweis der Umsatzsteuer sowie der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer auf erstellten Rechnungen. Optiert ein Kleinunternehmer zur Umsatzsteuer, muss er dies gegenüber dem Finanzamt erklären. Seine Entscheidung bindet ihn für fünf Jahre. Werden die Umsatzgrenzen überschritten, muss der Unternehmer für seine Umsätze Umsatzsteuer abführen. Die Auswirkungen bei Ausübung der Option oder bei Umsatzsteuerpflicht durch Überschreiten der Grenze (Umsätze von mehr als 17.500,– ) sind folgende: Auf kosmetische Leistungen wird zusätzlich die Umsatzsteuer auf den Preis aufgeschlagen. Diese zusätzlich aufgeschlagene Umsatzsteuer wird an das Finanzamt abgeführt. Sie belastet den Zahnarzt nicht. Denn dieser Betrag stellt für ihn einen durchlaufenden Posten dar: Einerseits vereinnahmt der Zahnarzt den Umsatzsteuerbetrag vom Patienten oder von der Krankenkasse und andererseits muss er genau diesen Betrag an das zuständige Finanzamt abführen. Da er den an das Finanzamt zu zahlenden Umsatzsteuerbetrag um die Vorsteuer kürzen kann, ist diese Vorsteuer für ihn ein Gewinn. Da der Gesetzgeber nicht nur im Gesundheitswesen, sondern auch auf anderen Rechtsgebieten sehr aktiv ist, sollte für die Praxisplanung und -organisation bis zum Jahresende 2006 die Umsatzsteuererhöhung von 16 auf 19 % zum 1. Januar 2007 berücksichtigt werden. Man sollte die Patienten darauf hinweisen, beabsichtigte kosmetische Leistungen bereits in diesem Jahr durchführen zu lassen, damit sie noch von der geringeren Umsatzsteuerbelastung in diesem Jahr profitieren können.

Abfärbetheorie

Bei den Einkünften, die nicht in Ausübung der Zahnheilkunde erwirtschaftet werden, handelt es sich um gewerbliche Einkünfte. Wenn sich die Zahnarztpraxis auch gewerblich betätigt, unterliegt sie unter Umständen nicht nur mit diesen Einkünften der Gewerbesteuer, sondern insgesamt. Man spricht dann davon, dass die gewerblichen Einkünfte die Einkünfte aus zahnärztlicher Tätigkeit „infizieren“ (Abfärbetheorie). Lediglich sehr geringe Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit bis zu einem Umfang von 1,25 Prozent des Gesamtumsatzes sind bei einer Praxisgemeinschaft – wie auch bei einer Gemeinschaftspraxis – unschädlich und führen daher nicht zur „Infektion“. In jedem Fall empfiehlt es sich, zusammen mit einem auf Zahnärzte spezialisierten Steuerberater im Vorwege zu untersuchen, ob das Risiko einer gewerblichen Abfärbung durch die Verträge in der Praxisgemeinschaft besteht.

Kosmetische Wunschleistungen

Die Berechnung von Wunschleistungen ist nur unter zwei Voraussetzungen möglich: Zum einen muss es sich um zahnärztliche Tätigkeiten handeln, für die weder die GOZ noch die GOÄ eine Leistungsbeschreibung und damit eine Gebührennummer enthält, zum anderen muss die Maßnahme allein auf Wunsch des Patienten ohne zahnmedizinisch-fachliche Notwendigkeit ausgeführt werden. Auch in diesem Fall ist eine schriftliche Vereinbarung zu treffen, die dadurch gekennzeichnet ist, dass sie weder eine Gebührenziffer noch einen Steigerungsfaktor, sondern lediglich die textliche Beschreibung der Maßnahme und die vereinbarte Gebühr enthält.

Fazit

Trotz aller Diskussionen um diese außervertraglichen Leistungen sollte bei der Etablierung solcher nicht außer Acht gelassen werden, seiner eigenen Persönlichkeit treu zu bleiben. Viele Zahnärzte versuchen, Erfolg versprechende oder anderswo bereits erfolgreich etablierte Konzepte auf die eigene Praxis zu übertragen, ohne zuvor zu analysieren, ob für die Integration des jeweiligen Konzeptes im eigenen Praxisbetrieb überhaupt eine ausreichende Basis besteht. Wichtig ist: Das Leistungsangebot muss Ihnen persönlich zusagen und Ihre Stärken unterstreichen. Denn wenn Sie authentisch wirken, wird Ihnen der Patient das Neue viel eher „abkaufen“ und Ihre Mitarbeiterinnen werden Sie eher unterstützen. Außerdem sollten Sie von Ihrem Leistungsangebot langfristig überzeugt sein.